Wien ist anders und Indien ist unglaublich

Tourismuswerber neigen haeufig zu Uebertreibungen. Wer wirklich glaubt in Linz beginnts, der irrt. Manchmal treffen sie jedoch mit ihren Slogans das Wesen einer Stadt bzw. eines Landes ganz gut. Wien ist anders mag zumindest aus der Brille eines Besuchers nicht ganz falsch sein: weltoffen aber gleichzeitig etwas verschlafen, traditionsbewusst und doch modern, rauzend aber liebenswert.

 

Bei Indien passt der Werbeslogan “Incredible India” perfekt. Indien ist tatsaechlich unglaublich. Ein Angriff auf alle Sinne der einen trotz aller Vorbereitungen und Vorwarnungen unerwartet trifft. In unserem Reisefuehrer steht, dass man Indien entweder lieben oder hassen kann – gleichgueltig laesst es einen auf keinen Fall. Dem kann ich nur uneingeschraenkt zustimmen.

 

Nach 4.600 km mit dem Zug quer durch den noerdlichen Teil des riesigen Subkontinents (unsere Route: Delhi – Amritsar – Jaipur – Jodhpur – Jaisalmer –Delhi – Varanasi – Agra – Delhi) tendiere ich eher zur zweiten Kategorie aber die Wuerfel sind noch nicht endgueltig gefallen. Hassen ist zwar definitiv uebertreiben aber der Abschied Richtung Laos, Kambodscha und Vietnam faellt auch nicht schwer.

 

Damit man mich nicht falsch versteht, es gibt hier sehr viele schoene und interessante Sachen zu entdecken. In Summe bleibt jedoch ein negativer Nachgeschmack. Beginnen wir mit den positiven Seiten Indiens.

 

Die Sehenswuerdigkeiten wie der Golden Temple von Amritsar und die Forts von Jodhpur und Jaisalmer sind wirklich beeindruckend. Nicht zu vergessen das Taj Mahal, das zu Recht als 8. Weltwunder bezeichnet wird. Und da waere noch Varanasi, die heilige Stadt am Ganges, die uns zuerst durch ihren Schmutz und die nervigen Keiler abgestossen aber so nach und nach in ihren Bann gezogen hat. Die rituellen Waschungen der Hindus inklusive einem herzhaften Schluck aus dem Ganges (was einen nicht umbringt macht einen nur haerter), die badenden Wasserbueffel und die zahlreichen mit Hilfe von diversen rauchenden Wirkstoffen nach Erleuchtung suchenden Sadus verleihen der Stadt eine ganz besondere Atmosphaere.

 

Auch kulinarisch hat Indien einiges zu bieten. Trotz mehrtaegiger Magenverstimmung und hartnaeckigem Durchfall von sowohl Ursula als auch mir sind wir von dem indischen Essen angetan. Die Speisekarte an vegetarischen Gerichten ist schier unendlich und um EUR 4 fuer zwei Personen kann man sich ganz schoen den Bauch vollschlagen. Fleisch haben wir bis jetzt erst einmal gegessen (super zartes Tandoori (=Grill) Hendl) und auch nicht vermisst. Ich haette nicht gedacht, einmal zum beinahe Vegetarier zu werden.

 

Einziges Manko ist, dass ein kuehles Bier sehr schwer zu bekommen ist, da die meisten Restaurants keinen Alkohol ausschenken duerfen und auch die Liquor Shops auf der Strasse sehr gut versteckt sind. Bis zum Singha Bier in Bangkok werden wir es aber hoffentlich noch aushalten …

 

Tolle Sehenswuerdigkeiten und gutes Essen, was will man eigentlich mehr? Wir haetten uns etwas mehr Ruhe und Beschaulichkeit gewuenscht um die vielen Eindruecke auf uns wirken lassen zu koennen.

 

Leider ist das in Indien nicht moeglich, da man staendig von Rickshaw Fahrern, Strassenhaendlern, Bettlern, etc. belagert wird, die einem die Rupees aus der Tasche ziehen wollen. Als westlicher Tourist ist man fuer viele Inder nur ein wandelnder Geldautomat. Man kann keine 10 Meter gehen ohne zu hoeren: “Hello Sir, where are you going, you want rickshaw?”, oder “Come looking – silk shawl, very cheap!”, oder einfach nur ganz plump “Give me 10 rupees!”. Selbst zuerst harmlos beginnende Gespraeche laufen am Ende immer nur auf das eine raus – jemand will einem etwas verkaufen oder zumindest wo hinbringen (Hotel, Geschaeft) wo er Provision bekommt. In Indien gilt die Unschuldsvermutung fuer uns nicht mehr. Schuldig bis zum Beweis des Gegenteils (leider nur selten passiert)!

 

Obwohl die Aggressivitaet und die Hartnaeckigkeit mit der man hier bedraengt wird angesichts der Armut verstaendlich ist, haben die Inder leider nicht begriffen, dass ihr Verhalten im Sinne eines nachhaltigen Tourismus kontraproduktiv ist. Viele mit denen wir gesprochen haben werden es sich zweimal ueberlegen wieder hierherzukommen.

 

Irritierend ist auch das voellig unterschiedliche Gefuehl fuer Privatsphaere der Inder. So ist es uns passiert, dass ein Inder dicht zu einem ruebergebeugt in einem Buch mitliest und bei der ersten Gelegenheit bei der man es weglegt ohne zu fragen in die Hand nimmt und durchblaettert.

 

Noch viel laestiger jedoch sind das oft sekundenlange anstarren und die neugierigen Blicke, denen man als westlicher Reisender ausgesetzt ist. Bei Frauen bewegt sich das manchmal hart an der Grenze zur sexuellen Belaestigung. Woran es liegt konnten wir nicht herausfinden. Unsere Kleidung war immer angemessen und die Inder haben sicher auch schon vor uns Touristen gesehen.

 

Vielleicht muss man laenger hier sein um die kulturellen Unterschiede besser verstehen zu koennen. Wir haben uns in unseren 3 Wochen Indien jedenfalls schwer damit getan.

 

Nicht weiter erwaehnen will ich den chaotischen und laermenden Verkehr sowie den Schmutz fuer den Indien nicht zu unrecht bekannt ist. Am Anfang haben uns die vielen Ratten auf den Bahnhoefen, die im Zug fangen spielenden Maeuse und auch der gelegentlich durch das Restaurant flitzende Nager noch schockiert aber mittlerweile sind wir in dieser Hinsicht schon relative abgehaertet.

 

Alles in allem haben die Tourismuswerber nicht zu viel versprochen. Indien war fuer uns wirklich unglaublich sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Ich bin schon gespannt wie mein Urteil ueber Indien im mit etwas mehr Zeitabstand ausfallen wird.

4 Antworten auf „Wien ist anders und Indien ist unglaublich“

  1. Liebe Ursula und Klaus,

    ich bin von eurer Art zu schreiben sehr beeindruckt! Ich feue mich immer, wenn wieder ein neuer Bericht kommt. Es ist witzig und unglaublich interessant. Es liest sich, wie ein gutes Buch.. Ihr habt anscheinend eine schriftstellerische Ader..

    Ich fliege im April nach Thailand (Phi Phi islands). Es ist meine erste Fernreise und ich kann es kaum erwarten. Freue mich, wenn ihr vom Bangkok schreibt. Ich selbst bin dann drei tage in der Stadt.

    Alles Gute und guten Rutsch!

    eva

  2. … und dem ist nichts hinzu zu fuegen!

    Ihr Lieben!
    Ich kann Euch so verstehen und sensationell formuliert habt Ihr’s auch noch. Bitte immer weiter so und viel viel Spass jetzt dann weiter im „echten“ Asien.

    alles liebe – johannes

  3. Hallo Ihr Zwei!
    Danke für den ausführlichen Bericht bin schon auf die Fotos gespannt. Wegen den paar Ratten und Mäusen müßt ihr euch nichts drauß machen. In Lüsens flitzen auch Mäuse nachts durch die Küche. Weiterhin viel Spaß!

  4. Ich weiß eh – bin spät dran, aber ich bin nun mal nicht so der Internet / Mail-Typ.
    Trotzdem danke für eure interessanten Berichte.
    Moni und ich wünschen zum Jahreswechsel „ALLES GUTE“, viel Kraft für die kommenden Abenteuer, wenige Pannen, viel gutes Essen, saubere Schlafstellen und keine Reisekrankheiten. Übrigens mache ich heute auch noch eine kleine Reise. Wohin? Zum Radlerstammtisch ins Kellerbräu nach Ried.
    Also PROSIT 2009

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