Bolivien – zurück in Südamerika

Unser kurzer Abstecher in den Norden von Chile und Argentinien war nicht nur ein Ausflug zu tiefblauen Altiplano Seen, Vicuna Herden und brodelnden Geysieren, sondern auch eine Art Rückkehr in die erste Welt.Gut ausgebaute Straßen, moderne Autos, riesige Supermärkte und westliche Mode gehörten plötzlich wieder zum Alltag.

Alles Dinge, die im nahe gelegenen Bolivien noch lange nicht selbstverständlich sind. In Villazon, nur wenige Kilometer hinter der argentinischen Grenze, hörten die asphaltierten Straßen wieder auf, die Supermarktketten waren verschwunden und die meisten Leute trugen statt Jeans die typische Hochlandtracht. Zwei Länder, so nah beisammen aber doch so unterschiedlich. Die Rückkehr nach Bolivien war für uns jedenfalls auch eine Rückkehr in das ursprünglichere, abenteuerlichere Südamerika.

Da es in Villazon außer der Erledigung der Einreiseformalitäten nichts zu tun gibt, machten wir uns sofort auf den Weiterweg nach Tupiza, einem kleinen Städtchen im Süden von Bolivien das aufgrund seiner Lage inmitten vielfarbiger Berge und engen Canyons an den amerikanischen Wilden Westen erinnert. Dazu passt auch, dass sich in dieser Stadt die berühmten US-Outlaws Butch Cassidy und Sundance Kid eine beträchtliche Zeit lang aufhielten und im Jahr 1908 nach einem ihrer Raubzüge vom bolivianischen Militär gestellt und bei der Festnahme erschossen wurden. Bei soviel Wild West Romantik mussten wir uns natürlich selbst auf einen Gaul schwingen, was mein Hintern sehr bald bereute.

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Zum Cowboy muss man anscheinend geboren sein und so schwor ich mir für den Rest der Reise den Sattel wieder gegen motorisierte PS einzutauschen.

Am nächsten Morgen ging es daher mit dem Bus weiter nach Uyuni wobei sich die sechsstündige Fahrt auf ziemlich rumpeliger Schotterpiste so anfühlte als ob ich noch immer im Sattel sitzen würde.

Uyuni ist das unbestrittene Highlight einer jeden Reise durch das Altiplano und war der Ausgangspunkt für unsere dreitägige Jeeptour zu der mit 12.000 km² größten Salzwüste der Welt und den weiter südlich gelegenen Lagunen. Drei Tage an denen wir spektakuläre Natur erleben durften: die blendend weiße Salar selbst mit ihrer teilweise Meter dicken Salzkruste, die in der Mitte des Salzsees gelegene Isla Incahuasi mit den bis zu 20 m hohen und mehr als 1000 Jahre alten Säulenkakteen, den bizarren Arbol de Piedra (Steinbaum) und die unvergleichlichen Laguna Colorada und Laguna Verde mit ihren hunderten Flamingos.

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Dass die Nächte auf 4.000 m Höhe in den teils sehr einfachen Unterkünften trotz Schlafsack, Decken, Thermounterwäsche und Fließjacke schweinekalt sind nimmt man angesichts der unglaublichen Landschaft gerne in Kauf. Einziger Wermutstropfen unserer Tour war unsere kleine Reisegruppe: ein älteres bolivianisches Ehepaar mit denen wir uns aufgrund mangelnder Spanischkenntnisse nur wenig unterhalten konnten und ein deutsches Pärchen aus Berlin mit denen wir uns nicht unterhalten wollten. Die beiden hatten offensichtlich die Jeeptour mit einem 5 Sterne Aufenthalt verwechselt und so haben sie uns die niedrigen Dienste wie das be- und entladen des Jeeps überlassen und waren ziemlich echauffiert über die Qualität der Unterkünfte, des Essens bla, bla, bla. Auch unseren stecken gebliebenen Jeep haben wir ohne ihre Hilfe wieder flott bekommen. Wenn uns die nette Augsburger Familie im „Nachbarjeep“ nicht kräftig geholfen hätte, würden wir wahrscheinlich noch heute dort stehen. Also haben wir kurzentschlossen die Augsburger mit ihrer bolivianischen Gastschwester „adoptiert“ und so doch noch eine ausgesprochen lustige Reisebegleitung gefunden.

Von Uyuni ging es – wie soll es anders sein – mit dem Bus weiter in das nur 215 km entfernte Potosi. Dazwischen liegen 7 Stunden Fahrzeit auf nicht asphaltierter Piste. So nah und doch so fern.

Potosi ist mit 4065 m die höchstgelegene Großstadt der Welt und nicht etwa La Paz wie ich das fälschlicherweise in meinem ersten Bolivien Eintrag geschrieben habe. Nach Potosi kommt man aber nicht etwa zum Bergsteigen sondern aufgrund der im wahrsten Sinne des Wortes “reichen” Geschichte der Stadt. Potosi verdankt ihre Existenz den riesigen Silbervorkommen des Cerro Rico, wie der hinter der Stadt aufragende rund 4800 m hohe Bergkegel genannt wird.

Dort wurde von den Spaniern bis zum 18 Jahrhundert Silber im großen Stil abgebaut und nach Europa gebracht um die leeren Staatskassen aufzufüllen. Zur Minenarbeit zwangen die Spanier die Einwohner der umliegenden Hochlanddörfer, die die unmenschlichen Arbeitsbedingungen im Berg meist nicht überlebten. Innerhalb von drei Jahrhunderten starben auf diese Weise rund 8 Millionen Indigena!

Heute wird im Cerro Rico kaum mehr Silber gefunden, stattdessen werden vor allem Zinn und Zink abgebaut. Da eine Besichtigung der Minen die Hauptattraktion von Potosi ist, haben auch wir gleich nach unserer Ankunft die diversen Touranbieter abgeklappert und dabei zu unserer Freude „unsere Augsburger“ wieder getroffen. Gemeinsam hatten wir uns schnell für eine Tour entschieden und bereits am nächsten Morgen ging es los.

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Bevor wir uns ausgestattet mit Schutzkleidung, Helm und Stirnlampe auf den Weg zu den Minen machten stoppten wir noch kurz am Markt. Denn so wie es sich gehört wollten auch wir den Minenarbeiten ein paar Kleinigkeiten für den täglichen Bedarf mitbringen: 2 Stangen Dynamit, Coca Blätter, Zigarillos und natürlich eine Flasche 90%igen Schnaps sowie eine Limo zum mixen. Na Prost, ob der Fusl wohl blind macht? Als ob er meine Gedanken lesen könnte nahm unser Guide gleich darauf einen kleinen Schluck aus der Flasche, verzog etwas das Gesicht aber sonst passierte nichts. Seine Sehkraft war noch vorhanden.

Bevor es dann in den Stollen ging gab es noch eine kleine Demonstration der Wirkung von Dynamit. Eine der beiden Stangen war nämlich für unsere Unterhaltung gedacht und so gibt es nun von jedem in der Gruppe ein Foto mit Dynamitstange und brennender Zündschnur. Die Explosion war relativ beeindruckend und wenn nicht immer die Sicherheitskontrollen am Flughafen solche Probleme machen würden, hätte ich gerne ein paar Stangen für die Silvester Knallerei mitgenommen …

Die Arbeitsbedingungen im Berg selbst sind schlicht und einfach unvorstellbar. Technische Hilfsmittel gibt es außer dem Dynamit keine. Die Temperatur in den Stollen variiert von unter Null Grad in der Nähe des Eingangs bis zu +35 Grad ein paar Hundert Meter tief im Berg drinnen. Teilweise steht das Wasser bis zum Rand der Gummistiefel was aber angeblich gut ist, denn dann staubt es zumindest nicht so. Sicherheitsvorkehrungen sind so gut wie nicht existent. Die Stollen sind nur ganz vereinzelt abgestützt und wenn dann sind die Balken bereits ziemlich morsch.

Gesprengt und gegraben wird wo immer man gerade Erz vermutet. Plan gibt es keinen weshalb der Berg innen auch aussieht wie ein Schweizer Käse mit Löchern. Sollte einmal ein Stollen einstürzen, so gibt es wahrscheinlich kaum eine Möglichkeit die Leute rechtzeitig wieder aus dem Berg herauszuholen. Kein Wunder, dass die Arbeit der Mineros nur durch das ständige Kauen von Coca-Blättern ertragbar wird. Der Lohn für diese harte und gefährliche Arbeit ist denkbar schlecht. Nur etwa umgerechnet EUR 25 verdient ein junger Minenarbeiter in der Woche, ein erfahrener Minero kann es auf ca. das Doppelte bringen.

Der Großteil von diesem hart erarbeiteten Geld wird am Ende der Woche in Alkohol investiert. Dumm zwar aber angesichts der trostlosen Lebensbedingungen auch verständlich. Nur wenige Mineros schaffen den Absprung und haben nach ein paar Jahren soviel Geld auf der Seite, dass sie sich zum Beispiel ein kleines Geschäft kaufen können. Die anderen schuften bis zu 25 Jahre lang im Berg, spucken dann mit 40 Jahren Blut und warten eigentlich nur mehr auf den Tod. Angesichts dieser Lebensaussichten wurde uns wieder einmal eindringlich bewusst welch großes Glück wir haben zufällig auf der”richtigen” Seite der Welt geboren worden zu sein.

Der Abschied von Potosi fiel uns nicht sehr schwer, da wir in Gedanken schon bei unserem nächsten Reiseziel waren, das einige tausend Höhenmeter tiefer und damit in einer deutlich angenehmeren Klimazone lag. In Sucre, der Hauptstadt Boliviens, sollte es nach langer Zeit in den kühlen Anden endlich wieder Sommer werden. Tatsächlich war es sogar noch wärmer als erwartet und so verzichteten wir spontan auf das meiste Sightseeing um uns stattdessen im Garten unseres Hostels zu sonnen.

Sehr relaxt machten wir uns nach 3 Tagen faulenzen auf den Weg nach Santa Cruz, unserer letzten Bolivien Station. Die Erholung war nach 15 Stunden Fahrt im engen und heißen “Cucaracha Express” (so tauften wir unseren Bus aufgrund der vielen kleinen Mitreisenden die wir bald entdeckten) leider schnell wieder verflogen. Zum Glück müssen wir in den nächsten Tagen erstmal keinen Bus mehr nehmen, denn zur Abwechslung geht es nun mit dem Zug weiter nach Brasilien. Dort wollen wir zuerst die Tierwelt des Pantanal erkunden und uns dann in Rio de Janeiro mit einem Caipirinha in der Hand die Sonne auf den Bauch scheinen lassen.

PS: Die Fotos findet ihr wie ueblich im Album. Ueber eure Kommentare freuen wir uns per Mail, da die online Kommentare leider immer noch nicht funktionieren.